Fast zwei Millionen Wohnungen stehen bundesweit leer
Das hat viele Gründe und Folgen
Klingelschild in München: Wo die Namen fehlen, stehen die Wohnungen oft leer. Wohnraum ist vor allem in den Ballungsräumen knapp. Trotzdem steht jede 23. Wohnung in Deutschland leer.
Insgesamt sind laut dem Zensus vom 15. Mai 2022 rund 1,9 Millionen Wohnungen ungenutzt, was einer Leerstandsquote von 4,3 Prozent entspricht. Das Phänomen ist bundesweit zu beobachten, doch in Ostdeutschland, wo viele junge Menschen abwandern, sind die Leerstände besonders hoch – in manchen Regionen über 10 Prozent.
Die hohen Leerstände zeigten, dass der Immobilienmarkt gespalten sei. Während es in den Ballungszentren enormen Wohnungsmangel gebe, stünden in vielen ländlichen Regionen Immobilien leer.
Mehr als die Hälfte der betroffenen Immobilien seit mehr als einem Jahr unbewohnt
Gerade in kleineren Gemeinden stehen viele ältere Häuser zum Verkauf oder leer. Wenn hier junge Leute einziehen, so die Idee von Bauministerin Klara Geywitz (SPD), werden Dorfkerne wie Innenstädte belebt und es hilft Familien sich den Traum vom eigenen Haus zu erfüllen. Ein gravierendes Problem beim Leerstand ist, dass heruntergekommene Gebäude die Immobilienwerte in der Umgebung drücken können. Deshalb ist es wichtig, Maßnahmen zu ergreifen, um den Verfall zu stoppen und gleichzeitig junge Menschen in den Regionen zu halten. Wichtig sei es periphere Regionen kulturell mehr zu fördern sowie Verkehrsanbindungen an größere Städte zu verbessern, um diese Gebiete attraktiver zu machen. In Zeiten, in denen immer mehr Menschen im Homeoffice arbeiten, könnten auch leerstehende Wohnungen als Co-Working-Spaces genutzt werden.
Neues Leben für alte Häuser – Förderprogramm gestartet
Alte Häuser können echte Juwelen sein – wenn man eine aufwendige Sanierung und hohe Kosten nicht scheut. Um genau solche Immobilien wieder attraktiv zu machen, hat die Bundesregierung das Programm „Jung kauft Alt“ auf den Weg gebracht, um leerstehende Wohnungen und Häuser abseits der Ballungsräume zu reaktivieren – auch weil es bisher oft günstiger war, neu zu bauen, statt aufwendig zu sanieren – das soll sich nun ändern.
Wer die Förderung beantragen kann
Die Förderung richtet sich an Familien mit minderjährigen Kindern und einem niedrigen bis mittleren Einkommen, die sich zum Kauf und zur Sanierung einer alten Immobilie verpflichten. Voraussetzung ist ein maximal zu versteuerndes Haushaltseinkommen von 90.000 Euro bei einem Kind. Für jedes weitere Kind erhöht sich diese Grenze um 10.000 Euro. Familien, die bereits Baukindergeld erhalten oder Wohneigentum besitzen, sind von der Förderung ausgeschlossen.
Bedingungen für förderfähige Projekte
Die Familie muss ein Haus oder eine Wohnung kaufen und dann auch selbst bewohnen. Es gibt also keine Förderung, wenn man ein altes Haus zu einer Ferienwohnung umbaut oder vermietet. Die Zweckbindung gilt für fünf Jahre.
Zudem muss das Haus einen schlechten energetischen Zustand aufweisen und in die Energieklassen F, G oder H eingestuft sein. Rund 45 Prozent der Wohngebäude in Deutschland fallen laut dem Ministerium in diese Kategorie.
Innerhalb von 54 Monaten muss man das Haus dann so sanieren, dass es mindestens Energieeffizienzklasse 70 EE erreicht. Das bedeutet, dass es 30 Prozent weniger Energie verbraucht als ein Gebäude mit den gesetzlichen Mindeststandards. Außerdem muss die Wärmeerzeugung zu mindestens 65 Prozent auf regenerative Energien umgestellt werden – was in der Regel auch einen Heizungstausch bedeutet.
Details zur finanziellen Unterstützung
Die staatliche Förderbank KfW bietet im Rahmen des Programms besonders zinsgünstige Kredite an. Zum Programmstart liegt der Zinssatz für einen Kredit mit einer Laufzeit von 35 Jahren und einer zehnjährigen Zinsbindung bei 1,51 Prozent. Die maximale Kredithöhe richtet sich nach der Anzahl der Kinder: Familien mit einem Kind können bis zu 100.000 Euro erhalten, bei zwei Kindern bis zu 125.000 Euro und bei drei oder mehr Kindern bis zu 150.000 Euro. Die Kreditlaufzeiten betragen zwischen 7 und 35 Jahren, mit Zinsbindungen von bis zu 20 Jahren.
Durch die vergünstigten Kredite kann eine Familie mit zwei Kindern bis zu 18.000 Euro einsparen. Zusätzlich können für energetische Sanierungen wie gedämmte Fassaden, neue Fenster oder den Austausch alter Heizungen weitere staatliche Fördermittel beantragt werden.
Kritik am Programm: Warum einige Bedenken haben
Ein Hauptkritikpunkt sind die strengen Anforderungen des Programms. Die Landesbausparkassen betonen, dass selbst mit finanzieller Förderung viele Familien Schwierigkeiten haben könnten, die hohen Kosten für solch umfangreiche Sanierungen zu stemmen. Eine Immobilie mit hohem Energieverbrauch innerhalb von viereinhalb Jahren auf den geforderten Standard zu bringen, sei entweder finanziell oder zeitlich schwer machbar.
Der Verband plädiert dafür auch Häuser mit besseren Energieeffizienzklassen in das Förderprogramm aufzunehmen. So würde der Sanierungsaufwand kleiner und kostengünstiger ausfallen. Zudem könnten mehr ältere Immobilien Käufer finden, was langfristig auch zur Bekämpfung des Wohnungsmangels beitragen würde.
GUT ZU WISSEN
Puchheim greift hart durch: Gebäude einfach vergammeln lassen, geht nicht
In Puchheim steht eine Eigentümerin eines Einfamilienhauses vor hohen Kosten, da das Gebäude seit Jahren leer steht. Das einst attraktive 250 Quadratmeter große Haus ist seit März 2020 unbewohnbar – das Dach ist beschädigt, es gibt Wasserschäden und Schimmel. Die Eigentümerin musste bereits 4.500 Euro für den Leerstand zahlen.
Zweckentfremdungssatzung
Puchheim hat seit 2018 eine Satzung, die vorschreibt, dass Wohnraum nicht länger als drei Monate leer stehen darf. Ziel ist es, den angespannten Wohnungsmarkt zu entlasten. Im aktuellen Fall wollte die Eigentümerin das Haus verkaufen, doch der Verkauf scheiterte. Auch der geplante Abriss kam nicht voran. Ein Jahr nach Beginn des Leerstands erhielt sie die Aufforderung zur Zahlung.
Gerichtliche Auseinandersetzung
Im Verwaltungsgericht wurde die Frage erörtert, ob ein nicht bewohnbares Haus noch als Wohnraum gilt. Laut Stadt hätte die Eigentümerin den Verfall des Hauses durch Sanierungsmaßnahmen verhindern müssen. Die Stadt ist streng: Verstöße können mit bis zu 500.000 Euro bestraft werden, doch eine Einigung wurde erzielt, bevor es zum Prozess kam.
Kritische Stimmen
Ulrike Kirchhoff von „Haus & Grund Bayern“ beschreibt die Puchheimer Satzung als sehr strikt. Eigentümer wüssten oft nicht, dass sie Leerstand genehmigen lassen müssen. Sanierungsmaßnahmen sind teuer, und gerade ältere Menschen können sich diese oft nicht leisten, was sie zu einem Verkauf zwingt. Kirchhoff sieht darin eine Form der „kalten Enteignung“.