WISSENSWERTES ZUM ENERGIEAUSWEIS UND SEINER AUSSAGEKRAFT

Energieausweise, Wissenswertes

Der Energieausweis, ein Steckbrief für Wohngebäude

Für die Entscheidung, Haus oder Wohnug kaufen ja oder nein, kann ein Blick in den Energieausweis hilfreich sein. Dies ermöglicht eine bessere Einschätzung der Dämmung, Fenster und Heizung des Gebäudes. Der Energieausweis gibt Auskunft über den Energiestandard eines Wohngebäudes und enthält zudem Empfehlungen für kostengünstige Modernisierungen. Diese sollen Mietern und Käufern Informationen zum energetischen Zustand des Gebäudes liefern. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Aussagekraft dieser Dokumente begrenzt ist.

Die meisten von uns sind mit Labels vertraut, die eine Farbskala und einen Buchstaben zur Energieeffizienz, besonders bei elektrischen Geräten wie Waschmaschinen oder Fernsehern, anzeigen. Für Häuser, Wohnungen und Gewerbebauten finden sich diese Informationen im Energieausweis.
Im Gegensatz zu Elektrogeräten gestaltet es sich jedoch komplexer, den exakten Energiebedarf für künftige Bewohner zu ermitteln. Diverse Faktoren wie Dämmung, Fenster, Heizung und Lebensstil beeinflussen dies. Daher ermöglicht der Bund zwei Varianten des Energieausweises: den Verbrauchs- und den Bedarfsausweis. Der Verbrauchsausweis zeigt den Energieverbrauch der letzten 3 Jahre vor der Ausstellung, bereinigt um Witterungseinflüsse. Der Bedarfsausweis berechnet den theoretischen Energiebedarf unter standardisierten Bedingungen.
Beide Ausweisvarianten verwenden eine Farbskala und Buchstaben von A+ bis H zur Klassifizierung. Zusätzlich enthalten sie Informationen zu CO2-Emissionen, Heizungstypen und Sanierungsempfehlungen.

Können Eigentümer frei wählen, ob Sie einen Bedarfs- oder Verbrauchsausweis erstellen lassen?
Die Wahl zwischen Bedarfs- und Verbrauchsausweis ist für Eigentümer prinzipiell frei, jedoch mit gewissen Einschränkungen.
Für Wohngebäude mit bis zu vier Einheiten, deren Bauantrag vor dem 1. November 1977 gestellt wurde, ist nur ein Bedarfsausweis zulässig – ausgenommen sind Häuser, die schon damals die Vorgaben der der ersten Wärmeschutzverordnung erfüllt haben oder die in der Zwischenzeit grundlegend energetisch saniert wurden. Bei Neubauten sind ohnehin ausschließlich Bedarfsausweise möglich, da hier noch keine Verbrauchsdaten vorliegen. Beide Ausweis-Varianten gelten 10 Jahre lang. Bei Mehrparteienhäusern werden die Ausweise gleich für alle Wohnungen erstellt, meist auf Initiative der Hausverwaltung.  Wohnungseigentümer müssen sich also in der Regel nicht selbst darum kümmern. Generell ausgenommen von der Ausweispflicht sind Baudenkmäler sowie Gebäude mit weniger als 50 Quadratmeter Nutzfläche.

Mit welcher Ausweis-Variante können Mieter oder Käufer mehr anfangen?
Der Verbrauchsausweis spiegelt das tatsächliche Heizverhalten der letzten drei Jahre vor der Ausstellung wider. Allerdings variiert der Heizbedarf erheblich von Haushalt zu Haushalt. Eine fünfköpfige Familie mit kleinen Kindern verbraucht deutlich mehr Energie als ein berufstätiges Paar, das tagsüber nicht zu Hause ist. Daher bieten Verbrauchsausweise nur begrenzte Aussagekraft für Käufer und Mieter. Bedarfsausweise sind dagegen hilfreicher, da sie die energetische Qualität unter standardisierten Bedingungen dokumentieren. Allerdings vertraut man in diesem Fall auf reine Mathematik ohne Verifizierung auf Praxistauglichkeit. Mit Bedarfsausweisen können Immobilien effektiv verglichen werden, ohne vom Nutzerverhalten verwässert zu werden. Generell sind Verbrauchs- und Bedarfsausweise wie Äpfel und Birnen, man kann also nicht einfach die Zahlen der verschiedenen Ausweise vergleichen.

Ist es vorteilhafter für Mieter und Käufer, einen Bedarfsausweis zu wählen?
Diese Frage ist leider nicht so einfach zu beantworten. Denn auch der Bedarfsausweis weist Schwächen auf. In einem Test, in dem mehrere Energieausweise für Wohngebäude erstellt wurden, zeigten die Energiewerte des Bedarfsausweises deutlich höhere Werte im Vergleich zu den Verbrauchsausweisen, teilweise um mehr als 40 Prozent. Dies lässt sich durch die Spielräume erklären, die die Berechnungsnorm bei der Wertermittlung zulässt. Ein zusätzliches Problem besteht darin, dass sich die Berechnungsverfahren im Laufe der Jahre leicht geändert haben. Dies trägt dazu bei, dass die Werte aus Bedarfsausweisen verschiedener Immobilien nicht direkt miteinander vergleichbar sind. Daher raten Experten Eigentümern dazu, immer einen Verbrauchsausweis erstellen zu lassen. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass die Erstellung von Verbrauchsausweisen in der Regel kostengünstiger ist als die von Bedarfsausweisen.

Aber beurteilen Sie selbst anhand eines Beispiels:
In einem Mehrfamilienhaus mit sechs Parteien leben drei Großfamilien mit vielen Kindern. In zwei Großfamilien sind die Eltern vorübergehend nicht berufstätig beziehungsweise pflegen einen Angehörigen und somit ganztägig zuhause. Außerdem wohnen zwei Seniorenpaare und eine verfrorene Langzeitarbeitslose in dem Haus. Die Heizungen laufen oft volle Pulle und es wird überdurchschnittlich viel gekocht und heiß gebadet. Der Energieverbrauch ist sehr hoch.
In einem Haus gleichen Baujahrs mit vergleichbarer energetischer Ausstattung und Anlagentechnik in einem anderen Stadtteil ist der Energieverbrauch nicht einmal halb so hoch. Dort wohnen drei Berufstätige in Single-Wohnungen, eine vierköpfige Energiespar-Familie, eine Person mit kaputter Heizung und geringem Wasserverbrauch sowie eine ökologisch angehauchte Studenten-WG, deren Mitglieder sich vor dem Fernseher lieber in Decken hüllen als die Heizung aufzudrehen.
Der Energie-Bedarfsausweis würde aufgrund der vergleichbaren Voraussetzungen des Gebäudes einen nahezu identischen Energiebedarf ausweisen. Die Energieklassifizierung im Energie-Verbrauchsausweis unterscheidet sich aufgrund der unterschiedlichen Bewohnerstruktur und deren Heizverhalten und Wasserverbrauch enorm.

Was kosten die Ausweise? Und wer stellt sie aus?
Die Kosten für Ausweise variieren: Ein Verbrauchsausweis vom beauftragten Energieberater, Architekten oder Bauingenieur kostet bis zu 100 Euro, während ein Bedarfsausweis mehrere hundert Euro kosten kann – wie viel hängt davon ab, ob die Experten die Immobilie selbst in Augenschein nehmen oder aber den Bedarf allein auf der Basis der Bauunterlagen und anderer Dokumente berechnen. Seriöse Aussteller sind Personen mit Ausbildung im Bereich Gebäudebau- und -technik sowie Zusatzqualifikationen in Gebäudeeffizienz. Im Internet erhältliche Ausweise sind günstiger, sollten jedoch die geforderte staatliche Registriernummer tragen.

Wie seriös sind Energieausweise über das Internet?
Im Internet erhältliche Ausweise sind günstiger. Verbrauchsausweise schon ab 50 Euro und Bedarfsausweise ab 90 Euro zu haben. Rein rechtlich spricht nichts gegen solche Angebote – vorausgesetzt die Ausweise tragen die geforderte staatliche Registriernummer. Dann können die Eigentümer davon ausgehen, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden.  Sie müssen beim Verbrauchsausweis lediglich einige Gebäude- sowie die Verbrauchsdaten übermitteln; beim Bedarfsausweis sind Angaben zu Baujahr, Fläche, Anlagentechnik und Gebäudehülle erforderlich. Mittels Stichproben prüfen die zuständigen Behörden, ob die Ausweise korrekt ausgestellt worden sind. Hausbesitzer tun sich meist aber keinen Gefallen, wenn sie solche Internet-Angebote nutzen. Die Erfahrung zeigt, dass Bedarfsausweise aus dem Internet meist von den Werten schlechter ausfallen als bei dem Vergleich der Ausweise, die von einem Experten auf der Basis einer individuellen Prüfung erstellt wurde. Die Online-Anbieter arbeiten nämlich mit Pauschalen, die bei der Berechnung des Bedarfs meist einen Sicherheitsaufschlag enthalten.

Ist damit zu rechnen, dass die Politik demnächst die Regeln für Energieausweise ändert?
Die gesetzlichen Vorgaben zur Energieversorgung von Gebäuden befinden sich derzeit im Wandel. Es stellt sich die Frage, ob die Politik in absehbarer Zeit auch die Regelungen für Energieausweise ändern wird, da die EU eine einheitliche Energieeffizienz-Klassifizierung für Immobilien anstrebt. Dabei ist geplant, eine zeitlich straffere Sanierungspflicht für Gebäude einzuführen, die in den untersten Klassen eingestuft sind. Jedoch lehnen einige Regierungen die Sanierungspflicht ab. Der Zeitpunkt einer Einigung zu diesem Thema lässt sich aktuell nicht abschätzen.

Werden Energieausweise bald weniger bedeutend?
Die Energieexpertin Constanze Liepold von der RWTH Aachen prognostiziert, dass ein Großteil der in den Jahren 2023 und danach ausgestellten Energieausweise praktisch unbrauchbar sein wird. Die herkömmlichen Ausweise, die auf Verbrauchsdaten der letzten drei Jahre basieren, ermöglichen keine zuverlässigen Vorhersagen für die kommenden Jahre. Besonders während der Corona-Lockdowns im Jahr 2020, als die Menschen vermehrt zu Hause waren, stieg der Energieverbrauch deutlich an. Daher spiegeln die aktuellen Verbrauchsausweise keine repräsentativen Verbräuche für Nichtpandemiejahre wider. Ähnlich verhält es sich für das Jahr 2022, in dem nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die Bürger in Deutschland zum Energiesparen aufgerufen wurden und die Preise stark stiegen. Liepold betont die geringere Aussagekraft von Verbrauchsausweisen im Vergleich zum Bedarfsausweis. Die Schwächen der Verbrauchsausweise treten derzeit besonders deutlich zutage. Obwohl Bedarfsausweise in der Regel teurer sind und für weniger Gebäude gesetzlich vorgeschrieben sind, hält Liepold sie für zuverlässiger in der aktuellen Situation.

13.12.23/ Redaktion WINDISCH IMMOBILIEN

Quellen: Süddeutsche Zeitung 4.11.23, verbraucherzentrale.de , haufe.de

Energiestandard bei Besichtigung prüfen
So prüfen Sie den Energiestandard bei der Besichtigung

Anstatt sich ausschließlich auf den Energieausweis zu verlassen, empfehlen wir Ihnen, bei Besichtigung auch auf folgende Details zu achten und gezielt nachzufragen:

  • Wärmedämmung: Ideal ist eine durchgehende Dämmung der Außenwände, der Kellerdecke und der obersten Geschossdecke bzw. des Dachstuhls (bei ausgebautem Dachgeschoss).
  • Fenster: Mindeststandard sind Wärmeschutzverglasung mit zwei Scheiben und einer Wärmeschutzbeschichtung. Zudem sollten Fenster und Türen winddicht sein.
  • Lage innerhalb des Gebäudes: Eine Wohnung, die an Außenwände oder unbeheizte Gebäudeteile grenzt, benötigt möglicherweise mehr Heizenergie. Erfragen Sie auch frühere Heizkostenabrechnungen.
  • Heizung: Beachten Sie die Art der Heizung, da der Energieträger oder Brennstoff einen großen Einfluss auf die Energiekosten hat.
  • Warmwasser: Bei hohem Warmwasserverbrauch ist zentrale Erwärmung kostengünstiger. Bei geringem Bedarf könnte eine elektrische Erwärmung durch moderne Durchlauferhitzer die wirtschaftlichere Option sein.

 MARTIN WINDISCH:

“Wenn Sie ernsthaft darüber nachdenken, eine bestimmte Immobilie zu kaufen, vor allem wenn es sich um ältere Bestandsgebäude handelt, empfehle ich Ihnen, einen Energieberater zur Besichtigung mitzunehmen. Denn die reale Beurteilung älterer Häuser kann herausfordernd sein. Lassen Sie sich nicht ausschließlich von den festgelegten Energieklassen beeinflussen. Manchmal ist für Sie als Käufer beispielsweise die Lage wichtiger als Energiewerte. Ein Energieberater kann praxisnahe Tipps zur Energieeffizienz geben und Sie hinsichtlich Verbesserungen und Optimierungen neutral beraten und Kosteneinschätzungen abgeben. “